Historische Stadtrundgänge
Stadtteil Unterboihingen
Station 11:
Arbeitersiedlung Spinnerstraße
Arbeitersiedlung der Firma Otto
in der Spinnerstraße
Erbaut: 1901, 1905 und 1922
Adresse: Spinnerstraße 7 - 30

Abb. 1: Arbeitersiedlung Spinnerstraße, etwa vom Bahnhof ausgesehen, Aufnahme nach 1922 aus HERGENRÖDER, 1992.
Im Jahr 1900 wurden durch das benachbarte Textilunternehmen Heinrich Otto und Söhne (gegründet 1816) an dieser Stelle Grundstücke zum Bau einer Arbeitersiedlung erworben.
In drei Bauabschnitten wurden in den Jahren 1901, 1905 und 1922 insgesamt zehn Wohngebäude errichtet. Dies mit dem Ziel, durch Bereitstellung von Wohnraum dem Mangel an Arbeitskräften entgegenzuwirken und die Lebenssituation der Belegschaft zu verbessern.
Sämtliche Gebäude verfügten von Anbeginn über elektrisches Licht und in den Häusern befindlichen Sanitäranlagen, was zu dieser Zeit noch eine Besonderheit war.
Jedes dieser zehn Wohnhäuser, die inzwischen unter Denkmalschutz stehen, ist außen wie innen gänzlich individuell gestaltet.
Eine Besonderheit stellt das Gebäude mit den Hausnummern 26/28 dar, das oftmals mit dem Namen “Kleeblatthaus” versehen wird. Die an den vier Hausecken befindlichen Wohnungen verfügen über identische, gespiegelte Grundrisse.
Entworfen und realisiert wurde diese Arbeitersiedlung durch den Industriearchitekten Philipp Jakob Manz (1861-1936), der aus einfachsten familiären Verhältnissen stammte.
Sein beruflicher Werdegang begann als Steinhauer in einem Stuttgarter Steinbruch. Nach Studium und Tätigkeit in einem Stuttgarter Architekturbüro gründete er - angeregt durch seine Arbeit als Bauleiter in der Wendlinger Otto-Fabrik - 1889 ein eigenes “Spezialbüro für Industrie- und Wasserbauten”.
Nach und nach entwickelte sich daraus das größte private Architekturbüro im deutschen Kaiserreich, das sich durch serielle Planungsabläufe und rationelles Bauen auszeichnete. Manz galt als Blitzarchitekt, der jedoch nicht nur mit großer Schnelligkeit, sondern auch kostengünstige, schön gestaltete, innovative Gebäude errichtete.
Das Büro Manz war im Inland und unter anderem in der Schweiz, in Österreich-Ungarn, Böhmen, Russland, der Ukraine, in Südamerika und Afrika tätig. Eine Vielzahl von Industrie- und Energieversorgungsanlagen, Arbeitersiedlungen, Unternehmervillen etc. tragen die Handschrift dieses bedeutenden Architekten (BRÜNING & TADDEY 2010).
Literatur
- Bleifuss, G. (1997): Baumwollfabrikanten in Württemberg - die Familie Otto und ihre Firmen 1814-1914. – Mannheim, Inst. für Landeskunde und Regionalforschung.
- Brüning, R. & G. Taddey [Hrsg.] (2010): Lebensbilder aus Baden-Württemberg, Bd. 23. Darin: Renz, K.: Jakob Manz, Ingenieur und Architekt, 1861-1936. – Stuttgart, Kohlhammer.
- Hergenröder, G. (1992): Wendlingen am Neckar. Auf dem Weg zu einer Stadt. Die Geschichte von Wendlingen, Unterboihingen und Bodelshofen. – Osswald, Kirchheim unter Teck.
Abbildungen

Abb. 2: Lageplan der Häuser in der Spinnerstraße mit Angabe zum Baujahr. Archiv HOS.

Abb. 3: Ansicht auf die Firma Otto und die Firma Behr (links) aus dem Jahr 1929. Links in der Bildmitte die Gebäude in der Spinnerstraße. Foto Hartmut Otto, HOS Archiv.

Abb. 4: Erdgeschoss-Grundriss des Kleeblatthauses, Spinnerstraße 26/28. HOS Archiv.

Abb. 5: Philipp Jakob Manz (1861-1936). HOS Archive.

Abb. 6: Fassadenplan für das Gebäude Spinnerstraße 30 aus dem Jahr 1905. HOS Archiv.
Auf Grund des vorliegenden Plans von 1921 ist davon auszugehen, dass die Erstellung weiterer Häuser geplant war. Diese Planung wurde jedoch nicht realisiert.

Abb. 7: Planung für weitere Gebäude einschließlich Geschäftshäusern aus dem Jahr 1921. Plan ist nicht eingenordet! HOS Archiv.

Abb. 8: Blick über den Bahnhof Unterboihingen in Richtung Wendlingen. Vorne das Bahnhofsgelände, das Bügeleisenhaus und das Hotel Keim. Etwa in der Bildmitte die Spinnerstraße. Ganz links Behrgelände. Von dort geht das Behrwegle durch die Wiesen in Richtung Wendlingen, rechts die ehemalige Unterboihinger „Wendlinger Straße“. Aufnahme frühe 1920er Jahre. Archiv HOS.

Abb. 9: Die Spinnerstraße in den 1970er Jahren. Auf dem Parkplatz befindet sich heute das DRK-Seniorenzentrum Haus im Park. Archiv Stadt Wendlingen am Neckar.
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