Historische Stadtrundgänge
Stadtteil Unterboihingen
Station 1:
Gasthof "Zum Schwanen"
Ehemaliges Wirtshaus "Zum Schwanen"
Erbaut: 1742
Abriss: 1973
Adresse: Stuttgarter Straße 43

Abb. 1: Der Schwanen um 1900. Links gut erkennbar das Wirtshausschild. Bemerkenswert ist auch das Zusammentreffen von Bürgertum (Mann mit Zylinder rechts) und den Bauern. Der Schwanen war eine Gaststätte für alle Bevölkerungsschichten.
Von dem Gebäude ist heute nichts mehr erhalten. Da es über einen Zeitraum von mehr als 200 Jahren große Bedeutung hatte, soll es hier näher vorgestellt werden.
In den Jahren 1600 bis 1602 (oder 1603) wurde nach den Plänen von Heinrich Schickardt die auf Köngener Gemarkung gelegene Ulrichsbrücke erbaut. Dies führte zu einer entscheidenden Aufwertung des Verkehrsweges von Stuttgart entlang der Lauter und über die Schwäbische Alb Richtung Ulm und Augsburg. Die Bedeutung dieser Verbindung über die Alb wird von den beiden Autoren HAID (1786) und HÖSLIN (1798) bereits im 18. Jahrhundert hervorgehoben.
Ein weiterer wichtiger Transportweg war der Neckar. Er hatte für die Holzflößerei eine wichtige Bedeutung. Über ihn wurde Holz von der Schwäbischen Alb und dem Schwarzwald neckarabwärts befördert, teilweise über den Rhein bis in die Niederlande.
Die Wichtigkeit dieser Verkehrsachsen erkannte Freiherr Wilhelm Ludwig Thumb von Neuburg. Er hatte im Jahr 1739 das Dorf Unterboihingen vom Herzog von Württemberg gekauft und verlegte seinen Wohnsitz von Köngen nach Unterboihingen. Bereits 3 Jahre später beauftragte er den Bau des Schwanen auf seinem Grund.
Der erste überlieferte Wirt war vorher Hirschwirt in Köngen. Seit 1751 schmückte ein prächtiges Wirtshausschild das zweistöckige Gebäude. 1816 rühmt der Lyriker Friedrich von Matthisson das stadtmäßig eingerichtete Haus, in dem es nicht an Gastmählern und Bällen fehlt, die zahlreich und eifrig von den Honoratioren aller umliegenden Städte, Dörfer und Landsitze besucht werden. Um das Gasthaus waren ein Brunnenhaus, Scheune und Stall sowie ein extra geschaffener Nutzgarten gruppiert. Da das Gelände hauptsächlich aus Neckarkies bestand, wurden zur Verbesserung der Bodenqualität „mehr als 100 Fuhren Muttererde“ eingebracht.
Wohl von Beginn an diente das Haus auch als Rast- und Übernachtungsstation für die Flößer. Der Wirt erwarb auch Holz von den Flößern und gründete einen Holzhandel zur Belieferung der umliegenden Orte.
Das Nebenzimmer des Schwanen diente in den 1880er Jahren als Baubüro für bauliche Tätigkeiten bei der Firma Otto. Zur Spinnerei in Unterboihingen bestand eine Telefonverbindung in Form einer Freileitung entlang des Neckars. Dies war gleichzeitig die erste Freiland-Telefonverbindung in Württemberg!
Der Schwanen war als Wirtshaus noch lange Zeit eine wichtige Einrichtung, so schenkte der Wirt im Jahr 1931 noch mehr als 18.000 Liter Bier aus.
Der letzte Besitzer Ernst Kraushaar verkauft das Anwesen dann auf Abbruch. Nach fast 250 Jahren muss der „Schwanen“ 1973 dem Bau der neuen (Römer)-Brücke über Eisenbahn und Neckar weichen. Der Schwanenweg erinnert noch heute an das Gebäude.
Literatur
- HAID, J. (1786): Ulm mit seinem Gebiete. – Ulm, Wagner.
- HÖSLIN, J. (1798): Weil. Jeremas Höslins, Pfarrer zu Böringen, Uracher Oberamts, Beschreibung der Wirtembergischen Alp, mit landwirthschaftlichen Bemerkungen. Herausgegeben von dessen Sohn, M. Jeremias Höslin, Pfarrer zu Gruorn, Uracher Oberamts. – Tübingen, Heerbrandt.
- Württembergisches Landesmuseum Stuttgart und Geschichts- und Kulturverein Köngen [Hrsg.] (1996): Barockes Welttheater. Ein Buch von Menschen, Tieren, Blumen, Gewächsen und allerlei Einfällen. Geschrieben und gemalt von M. Daniel Pfisterer, Pfarrer zu Köngen, begonnen im Jahre 1716. Band 1 & 2 im Schuber. – Quell (Stuttgart).
Abbildungen

Abb. 2: Darstellung der Ulrichsbrücke mit Flößern. Im Hintergrund links das Schloss Unterboihingen und rechts der Hohenneuffen.
Legende, oben: Die Neccar Brücke bej Köngen. Erbauet von Ihro D(u)rch(auch)t Herzog Friderich zu W(ü)rt(tem)b(erg) anno 1603.
Unten: Gleich wie die Kirche hier auff Christum ist gegründet / So hat die Brücke allhier den Bapst zum Fundament / Dieweil … reine Lehre findet / Und … Pfeiler auf des Bapstes … sind.
Aus Württ. Landesmuseum et al. [Hrsg.], 1996.

Abb. 3: Der Schwanen um 1810. Vor der Gastwirtschaft befindet sich das Brunnenhaus, ganz links kleiner Teil der Scheune. Hinter dem Gebäude erkennt man den (Gemüse-)Garten. Im Vordergrund Teile des Holzlagers. Links im Hintergrund die Kapelle im Hürnholz, rechts ein nicht mehr lokalisierbares Sühnekreuz.


Abb. 4a,b: Ausschnitt aus der Urkarte, ca. 1828 und der daraus entwickelten Flurkarte von 1830.Zu sehen ist links die Ulrichsbrücke, Der Schwanen ist das Gebäude unterhalb der Straße, darüber die Scheune und das Brunnenhaus..

Abb. 5: Neuerer Lageplan, datiert ca. 1900. Die Straße oberhalb der Wirtschaft zeigt den ehemaligen Verlauf der Stuttgarter Straße in diesem Bereich. Die nach unten verlaufende „Alte Straße“ liegt etwas östlich der heutigen Heinrich-Otto-Straße.

Abb. 6: Die Familie des Schwanenwirts Heinrich Wißt (Wisst), 1895.

Abb. 7: Ochsengespann vor der Schwanenscheuer, 1897.

Abb. 8: Blick aus der Vogelperspektive von 1929. Der Schwanen im Mittelpunkt, davor die Firma Otto, links die Firma Behr. Dahinter der Ort Unterboihingen (Foto Archiv HOS).

Abb. 9: Wirtshausschild des Schwanen aus dem Jahr 1951 (Stadtarchiv Wendlingen am Neckar).


Abb. 10 & 11: Der Schwanen an der Stuttgarter Straße, ca. 1970. Im Hintergrund der ehemalige Bahnübergang.

Abb. 12: Die letzte kartografische Darstellung des Schwanens aus dem Jahr 1973; im Zuge des Neubaus der Brücke über die Bahnlinie und den Neckar.
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Bahnhofstraße 15