Historische Stadtrundgänge
Stadtteil Unterboihingen
Station 8:
Kirchenbesitz
Der ehemalige Kirchenbesitz von Unterboihingen

Abb. 1: Jahreszahl „1631“ und Insignien der Steinmetze auf dem Türsturz der ehemaligen Zehntscheune.
Im unteren Bereich der Kirchstraße, gegenüber vom Stadtmuseum befinden sich mehrere Gebäude von besonderer historischer Bedeutung. Die Unterboihinger Pfarrkirche verfügte über mehrere Höfe und Gebäude, die erstmals im Jahr 1363 eine schriftliche Erwähnung finden. Es handelt sich dabei um die folgende Gebäude:
Kymen (Keimen) oder Bartenbacher Hof
Erbaut: 15. Jahrhundert (?)
Adresse: Kirchstraße 17 - 19
Der Hof war einst das größte Gebäude im Ort. Er wurde samt dem leibeigenen Pächter im Jahr 1363 von Graf Albrecht von Aichelberg an das Esslinger Spital verkauft.
Zum Hof gehörte der Kirchensatz, also ein Mitspracherecht bei der Besetzung der Pfarrstelle, und auch das Zehntrecht. Die hierbei anfallenden Getreideabgaben wurden in der Zehntscheune gesammelt, die für lange Zeit am Ende des Dorfes stand. Nach einer Liste aus dem 18. Jahrhunderts erhielt der Pfarrer aus dem großen Zehnt knapp 40 Zentner Getreide, dazu 2 Wagen mit Heu und etwas Stroh. Der kleine Zehnt wurde ihm von Linsen, Bohnen, Erbsen, Hanf, Flachs, Rüben und Kraut gegeben, aber auch seine Blutzehnteinkünfte (von Geflügel) sind genau geregelt.
Widdumhof
Erbaut: wahrscheinlich 1424
Adresse: Kirchstraße 21
Der Widdumhof gehörte seit 1336 dem Grafen Albrecht von Aichelberg. 1424 erwarb ihn das Esslinger Spital für 1200 Gulden. Der Widdumhof bestand aus drei einzelnen Höfen, nämlich dem Heimleleshof [Hammelehle] in der Kirchstraße 11 und dem Pfaffenlehen in der Hauptstraße 18. Im Zuge des Erwerbs der Gebäude wurde wohl auch das Gebäude in der Kirchstraße 21 neu errichtet.
Die Besitzungen und Rechte des Spitals kaufte 1683 für 12.000 Gulden Conrad Wilhelm von Wernau, Bischof in Würzburg, der aber schon ein Jahr darauf starb. Von ihm kamen diese Güter an das Kloster Unterzell bei Würzburg, wo seine Tante Priorin war. In dieser Unterzeller Zeit, in der auch das Pfarrhaus 1754 neu gebaut wurde, war der Widdumhof ein Drittelhof, musste also ein Drittel der Ernte abliefern, dazu Wiesenzins an Michaeli, 100 Eier an Ostern, und 3 Tage Gespannfron mit 4 Pferden leisten. Das war praktisch die Jahrespacht. Der Hof war wie die anderen „Spitalhöfe“ ein „Fall-Lehen“, das beim Tod des Betreibers, aber auch bei Pächterwechsel an den Eigentümer zurückfiel. Dann waren als eine Art Erbschaftssteuer die Weglösung in bar und bei Übernahme ein Handlohn (meist 5%) fällig. Nach der Säkularisation konnte der damalige „Fallmayer“ Michael Zeller seinen Hof von der Großherzoglich Würzburgischen Landesdirektion im Jahr 1804 kaufen und wurde endlich selbst Eigentümer.
Der Widdumhof (Kirchstraße 21) wird in naher Zukunft renoviert und sich dann wieder harmonisch in die umgebende historische Bebauung einfügen.
Zehntscheune
Erbaut: 1631
Adresse: Kirchstraße 25
Die Abgabe des Zehnten, also jeder zehnten Garbe auf dem Feld, als Gabe an Gott und zum Unterhalt der Priester steht schon bei Moses im alten Testament. Bei uns war sie zu Beginn für ähnliche Zwecke gedacht. Dieses Zehntgetreide wurde in der Zehntscheune gesammelt, später ausgedroschen und verwertet, also auf den Märkten der Umgebung verkauft oder als Besoldungsanteil abgegeben. Schon im Spitallagerbuch von 1441 ist sie erwähnt als dem Pfarrhaus vis-a-vis liegend, was immer noch stimmt.
Der heutige Bau stammt einer Inschrift nach aus dem Jahr 1631, zeigt auch das zerbrochene Rad der hl. Katharina, der Patronin des Esslinger Spitals, das in Unterboihingen damals Zehntherr war. Familie Franke, die das Gebäude derzeit bewohnt, hat beim Umbau noch ältere Holzbalken gefunden, die durchaus vom Vorgängerbau stammen können. Nach der Zehntablösung (meist das 16-fache des Jahresertrags in Geld) wurde das Gebäude mit den großen Schüttböden funktionslos und von der Gemeinde privatisiert. Torbeschläge und Schloss zeigen sehenswerte, 400 Jahre alte Handwerkskunst.
Grundsätzliches zu den Höfen des Esslinger Katharinen-Spitals („Spitalhöfe“)
Bei der Gründung einer Pfarrei galt als Grundsatz, dass eine Kirche nur geweiht werden konnte, wenn der stiftende Grundherr in ausreichendem Maße Güter bereitstellte, aus denen sich die Kirche selbst versorgen konnte. Das waren die Widdumhöfe, deren Erträge, wie der Name besagt, einem bestimmten Zweck gewidmet waren. An diesen Höfen hingen deshalb auch zwei einträgliche Rechte: der große Zehnt (grob: 10 Prozent der Halmfrüchte) und der kleine Zehnt (grob: 10 Prozent der Hackfrüchte). Der große Zehnt diente zum Bau und zur Unterhaltung der kirchlichen Gebäude wie Kirche und Pfarrhaus, während der kleine Zehnt als Besoldung des Pfarrers gedacht war. Üblicherweise war der Zehntherr auch für die Vatertierhaltung (Bulle, Eber, Ziegenbock) zuständig.
Das Zehntrecht wurde nach mehreren Versuchen von der Gemeinde Unterboihingen im Jahr 1833 vom Königreich Bayern als Rechtsnachfolger gegen 8400 Gulden und die Baulast an Pfarrhaus und Zehntscheuer erworben. Bayern behielt aber das Recht, den Pfarrer zu ernennen mit der Verpflichtung, ihm 36 Scheffel Dinkel, 12 Scheffel Hafer, ½ Scheffel an Erbsen, genügend Dinkelspreu, 29 Gulden in bar, und 4 Eimer Wein im Wert von 100 Gulden zu reichen. Auch den kleinen Zehnt konnte die Gemeinde 1839 gegen 400 Gulden jährlich ablösen. Die Zehntscheune selbst war dadurch funktionslos, wurde verkauft und wird seitdem zu Wohnzwecken benutzt.
Literatur
- HERGENRÖDER, G. (1992): Wendlingen am Neckar. Auf dem Weg zu einer Stadt. Die Geschichte von Wendlingen, Unterboihingen und Bodelshofen. – Osswald, Kirchheim unter Teck
Abbildungen

Abb. 2: Der ehemalige Keimenhof. Abbildung aus HERGENRÖDER, 1992.

Abb. 3: Der ehemalige Widdumhof, Aufnahme 1920, Stadtarchiv Wendlingen am Neckar.

Abb. 4: Gesamtansicht der ehemaligen Zehntscheune (siehe auch Abb. 1).
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